
Dieser Tage hat Roco die neu konstruierte Schmalspur-Diesellok der Reihe 2095 ausgeliefert.
Die 15 von 1958 bis 1962 bei SGP gebauten Loks wurden auf nahezu allen ÖBB-Schmalspurstrecken eingesetzt und prägten deren Bild über viele Jahrzehnte. Auch heute sind einige Exemplare nach wie vor unverzichtbar, auch wenn inzwischen keine mehr unter ÖBB-Regie unterwegs sind (die Bundesbahn hat sich ja 2008-2010 von den verbliebenen Schmalspurstrecken getrennt).
Mit einer erstaunlichen Variantenvielfalt sind diese Loks ein lohnendes Vorbild für Modellbahnhersteller. Das erkannte vor bereits bald fünf Jahrzehnten auch die Firma Liliput. Nach dem Ende von Liliput Wien kamen die Formen zunächst zu Dolischo, dann zu Stängl. (Anmerkung: Mit der frühen Modellgeschichte bin ich nicht so vertraut, das war vor meiner Zeit – ich hoffe, in den letzten zwei Sätzen nicht zu viel Blödsinn verzapft zu haben.) Bei diesem in Lunz am See ansässigen Ein-Mann-Unternehmen wurden die Modelle optisch etwas überarbeitet, außerdem kam als wohl wichtigste Neuerung ein neuer Antrieb mit Faulhabermotor zum Einsatz.
Herr Stängl löste im Sommer 2016 aus Altersgründen seine Firma auf und verkaufte sie an Ferro-Train. Bei diesem Hersteller sind seither so gut wie alle 2095-Varianten, inklusive der drei Vorserienloks mit anderem Gehäuse, erhältlich. Anscheinend durch die Roco-Ankündigung unter Druck geraten, wurde Anfang dieses Jahres der Antrieb nochmals überarbeitet, wodurch der Verkaufspreis etwas gesenkt werden konnte – er liegt aber immer noch über dem der Roco-Loks (Roco: UVP 169,90€ bzw. "Straßenpreis" ~153€; Ferro-Train: 189€).
Den Modellvergleich möchte ich mit dem wahrscheinlich unwichtigsten Detail beginnen: Der Verpackung. Roco, Stängl und Ferro-Train setz(t)en dabei auf eine Kartonschachtel mit Styroporeinsatz. Der Karton von Roco ist der stabilste, die Überkartons von Stängl und Ferro-Train sind eher mit dem dünneren Karton älterer Roco-Produkte vergleichbar.

Ein Blick unter die Deckel. Auch in der klein wirkenden Ferro-Train-Schachtel ist das Modell ausreichend geschützt, nur für die Zurüstteile wird es schon recht eng. Die filigranen Details der ab Werk weitgehend zugerüsteten Roco-Lok werden zusätzlich durch einen Kartonstreifen und eine Blister-Haube sowie kleinen Schaumstoff-Klötzchen geschützt.

Aber nun zu den Modellen selbst: Als Vergleichsobjekt zu meinem Roco-Neuerwerb (2095 010, Artikelnummer 33292) diente die 2095 013 von Stängl in halbwegs ähnlicher Bauform und Lackierung. Allerdings ist die Stängl-Lok blutorange, die Roco-Lok verkehrsrot lackiert.

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Eine Anmerkung zu den Kupplungen: Ab Werk ist bei Roco die am Foto sichtbare Bügelkupplung montiert, die dem seit langem etablierten H0e-Standard entspricht und natürlich mit Kupplungen anderer Schmalspurfahrzeuge kompatibel ist. Zur Verbesserung der Optik könnte man den Bügel entfernen und mit den Kuppelstangen-Imitationen, die allen Schmalspurmodellen von Roco, Stängl etc. beiliegen, kuppeln – sie rasten auch bei der neuen 2095 ein.
Alternativ kann man die Lok mit einer beiliegenden Attrappe der Bosnakupplung ausrüsten. Diese sitzt dann aber vorbildgerecht weiter oben und entspricht damit nicht dem H0e-Standard, das Kuppeln mit anderen Fahrzeugen ist dann nur noch mit Kunstgriffen möglich. Ein schönes Bild, auf dem man die unterschiedliche Höhe der Kupplungen gut erkennen kann, hat EBFÖ-User Batschi angefertigt: https://up.picr.de/34288837yc.jpg
Bei den Loks von Stängl/Ferrro-Train kann man die Bügelkupplung nicht tauschen. Dafür ist sie etwas dezenter als das klobig wirkende Roco-Pendant und außerdem auch merkbar kürzer.
Seitenansicht:

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Dass der Batteriekasten bei Roco nicht bedruckt ist, ist ebenso wie das Fehlen der Führerstandsnummern auf den Türen für die 2095 010 in diesem Zustand vorbildgerecht.
Ich finde, dass sich die Stängl-Lok vor der Neukonstruktion aus dem Hause Roco zumindest aus dieser Perspektive absolut nicht verstecken muss.
Etwas deutlicher werden die Unterschiede in der Frontalansicht:

Die Scheibenwischer der Stängl-Lok habe ich selbst silber gefärbt. Interessanterweise zeigen die meisten Vorbildfotos aus den 90er-Jahren graue bzw. silberne Scheibenwischer, während sie bei der 2095 010 in den Jahren 2006-2009, als sie in diesem Zustand unterwegs war, schwarz waren.
Nachdem die beiden Bilder aus der selben Perspektive (*) aufgenommen wurden, bietet sich ein direkter Zusammenschnitt an:
(*): zumindest fast, dass die Roco-Lok offenbar mit mindestens einer Achse neben dem Gleis stand, fiel mir beim Fotografieren leider nicht auf

Und ein Zusammenschnitt mit dem Original – Achtung, hier gibt es perspektivische Verzerrungen!

Trotz der Verzerrungen scheint es so, als wären die Stirnfenster der Roco-Loks eine Spur zu groß geraten, während sie bei Stängl etwas zu klein sind.
Am deutlichsten sieht man den Altersunterschied zwischen den Konstruktionen beim Dach. Das aus Metall gefertigte Gitter über dem Kühlventillator mit den beiden Führungsschienen für die Abdeckhaube schaut einfach toll aus. Wenn man genau hinschaut, sieht man sogar den Ventillator darunter (meine Kamera sieht ihn allerdings nicht). Abgesehen davon ist diese Baugruppe beim Roco-Modell nun an die richtige, nicht ganz symmetrische Position gerutscht. Weitere Eye-Catcher beim Roco-Modell sind der offene Abgasstutzen und die Befestigungen für die Abdeckplatten – letztere habe ich allerdings in dieser Form bei keinem Vorbildfoto gefunden, aber womöglich gab es da Unterschiede bei den verschiedenen Loks.

Nun ein Bild von unten. Die plastische Darstellung der Getriebeabdeckungen bei Roco schauen zwar nett aus, aber den Aufwand hätte man sich mMn sparen können – das sieht man ja nicht.

Dafür erkennt man bei genauem Hinschauen einen großen Kritikpunkt, den ich am Roco-Modell habe. Es besitzt nämlich Haftreifen… Keine Ahnung wofür, die Loks zogen überwiegend kurze Züge. Auch im Modell werden wohl nicht übermäßig viele Modellbahner die Lok mit einem 15-Wagen-Zug durch die steile Gleiswendel jagen. Dafür wäre gerade bei der Kleinheit und den eher langsamen Geschwindigkeiten im Schmalspurbereich eine gute Stromabnahme essentiell. (Nein, das heißt nicht, dass sich die Lok nur ruckelnd und stotternd fortbewegen kann – Weichenstraßen mit nicht polarisierten Herzstücken sind bei sauberen Gleisen kein Problem.)
Immerhin sind haftreifenlose Radsätze als Ersatzteil erhältlich. Den Preis von 6,80€ finde ich allerdings unverschämt – zumal man gleich zwei davon braucht. Ein Wunsch an Roco für zukünftige Auflagen: Bitte die Lok ab Werk ohne Haftreifen anbieten und die Achsen mit Haftreifen als Ersatzteile anbieten – bei den 1099ern funktionierts ja auch so…
Ein Blick auf das Innenleben. Bei der Stängl-Lok ist es recht einfach gehalten, es ist nicht einmal eine Digitalschnittstelle vorhanden. Bei Roco hingegen ist man auf dem Stand der Zeit und hat eine Plux22-Schnittstelle eingebaut. (Ich persönlich fahre analog und habe keinen blassen Schimmer von digitaler Modellbahn; aber eine Plux22-Schnittstelle scheint mir zu viel des Guten zu sein – die 2095er haben ja, abgesehen von der 2095 009, nicht einmal ein Schlusslicht, das man ansteuern könnte, dafür dürften die Plux22-Decoder mehr Geld kosten.)

Noch eine Anmerkung zum Innenleben: Die von mir gezeigte Lok ist von Stängl. Ferro-Train hat meines Wissens nach die Platinen überarbeitet und verkauft seine Loks inzwischen nur noch mit Digital-Schnittstelle nach NEM 651.
Die Fahreigenschaften sind sowohl bei Roco als auch bei Stängl/Ferro-Train ausgezeichnet. Höchstgeschwindigkeit und Auslauf sind bei beiden Fabrikaten quasi identisch. (Die Höchstgeschwindigkeit ist für eine Schmalspurlok viel zu hoch, das ist aber bei all meinen Schmalspurloks quer durch alle Typen so – man darf halt den Trafo nicht zu weit aufdrehen.) Trotzdem ist Punkto Fahreigenschaften die Stängl-Lok eindeutig Testsieger: Deren Faulhaber-Motor ist einfach durch nichts zu überbieten. Gegen das nahezu lautlose Dahinschnurren der Stängl-Lok wirkt das neue Roco-Konkurrenzprodukt wie eine alte Kaffeemühle. Das heißt nicht, dass die Roco-Lok schlecht oder übermäßig laut wäre – aber im direkten Vergleich mit dem Faulhaber-Motor hat es die Lok einfach schwer

An dieser Stelle möchte ich noch einmal anmerken, dass ich als Vergleichsobjekt eine Lok aus Stängl-Produktion habe. Die Ferro-Train-Loks wurden bis Anfang 2018 prinzipiell exakt gleich produziert, seither sind standardmäßig die überarbeiteten günstigeren Antriebe eingebaut. Über deren Fahreigenschaften kann ich nichts sagen. Allerdings sind die Ferro-Train-Loks gegen Aufpreis nach wie vor noch mit dem Stängl-Antrieb mit Faulhabermotor erhältlich.
Mein persönliches Fazit: Roco hat mit der 2095 ein wirklich schönes Modell herausgebracht, das auch technisch zu überzeugen weiß (abgesehen von dem Punkt mit den Haftreifen und den etwas klobigen Kupplungen für Nicht-Vitrinen-Bahner). Ich sehe allerdings keinen Grund, deshalb die Loks von Stängl und Ferro-Train auszumustern – obwohl ihre Ursprünge auf das Liliput-Modell aus dem Jahre Schnee zurückgehen, machen sie im großen und ganzen immer noch eine ganz gute Figur.