Šarganska osmica (serbische Museumsbahn)

Alle Schmalspurbahnen, die nicht in die oberen Schemen passen.

Moderator: Stephan Rewitzer

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4010-freak
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Šarganska osmica (serbische Museumsbahn)

Beitrag von 4010-freak »

Der nach dem Ersten Weltkrieg gegründete Staat Jugoslawien stand vor einem gewaltigen Infrastrukturproblem, auch und insbesondere im Bereich Eisenbahn. Die von den diversen Vorgängerstaaten erbauten Bahnnetze waren auf deren Zentren und Häfen (z.B. Wien, Budapest, Triеst, …) ausgerichtet und nur unzureichend miteinander verbunden. Außerdem war das Netz technisch uneinheitlich – so waren nennenswerte Teile des serbischen Bahnnetzes sowie nahezu das ganze Bahnnetz Bosniens schmalspurig (Spurweite 760 mm) ausgeführt.
Ein besonders großes wirtschaftliches Hindernis war das Fehlen einer direkten Verbindung von der Donau zum Mittelmeer sowie die mangelhafte Anbindung Bosniens. Als Notlösung wurde in den 1920er-Jahren das bis Dalmatien reichende bosnische Schmalspurnetz mit dem serbischen Schmalspurnetz verbunden, und zwar mit einer ~50 km langen Strecke von Vardište, dem Endpunkt der bosnischen Ostbahn, nach Užice. Eine besondere Herausforderung stellte dabei der Šargan-Pass dar, mussten dort doch auf wenigen Kilometern Luftlinie 240 Höhenmeter überwunden werden. Dazu wurde die Strecke zwischen Mokra Gora und Šargan Vitasi in einer aufwendigen Schleifenentwicklung (inklusive einiger Kehrtunnels) gebaut, die mit der weltbekannten Albulabahn durchaus mithalten kann.

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Quelle: Commons Wikimedia, Bildautor Ivan25

Als 1928, drei Jahre nach der Eröffnung der Šarganpass-Strecke, Belgrad ans Schmalspurnetz angeschlossen wurde, war eine über 400 km lange Schmalspur-Magistrale von Belgrad nach Sarajevo fertiggestellt. Die Strecke über den Šargan-Pass war nun ein zentraler Teil des jugoslawischen Bahnnetzes, neben den Schnellzügen von Belgrad nach Sarajevo gab es auch mit Speise- und Liegewagen ausgestattete durchgehende Verbindungen über Sarajevo hinaus weiter nach Dubrovnik (Fahrzeit: ~23 Stunden). Außerdem gab es schwere Güterzüge aus dem Raum Belgrad und dem Osten Serbiens Richtung Bosnien und Adria. Insgesamt fuhren bis zu 40 Züge täglich über die Strecke, auf der rund um die Uhr Betrieb herrschte.

Auch wenn ein weit über 1000 km langes, zusammenhängendes Schmalspurnetz mit Hauptbahn-Aufgaben noch so viel Eisenbahn-Romantik ausstrahlt: Eine zufriedenstellende Erfüllung der Verkehrsbedürfnisse war damit nicht gegeben. Daher wurde nach dem Zweiten Weltkrieg damit begonnen, neue Normalspurstrecken zu bauen und einige der Schmalspurstrecken umzuspuren. Seit 1947 steht eine leistungsfähige Normalspurstrecke zwischen Belgrad und Sarajevo zur Verfügung, wodurch die Schmalspurstrecke stark an Bedeutung verlor; allerdings hat die neue Strecke eine ganz andere Streckenführung (deutlich weiter nördlich) und konnte die Schmalspurstrecke nicht direkt ersetzten. Ab 1960 wurde die Normalspurstrecke Beograd – Bar gebaut, die im serbischen Teilstück in etwa die gleiche Streckenführung hat wie die schmalspurige Verbindung Beograd – Sarajevo, woraufhin diese schrittweise verkürzt wurde. Die inzwischen aufgekommene Konkurrenz durch den Straßenverkehr machte die Entscheidung einfach, die nur noch dem lokalen Verkehr dienenden verbliebenen Schmalspurstrecken in den 70er-Jahren einzustellen. Anfang 1974 war es dann auch bei der Šarganpass-Strecke so weit und 1989 wurden schließlich die Gleise abgetragen.

Ende der 90er-Jahre wurde begonnen, den Abschnitt Mokra Gora – Šargan Vitasi, also den interessantesten Abschnitt mit Schleifen und Kehrtunnels, als Museumsbahn wieder aufzubauen. Im Jahr 2003 wurde die Strecke eröffnet und dient seither in der strukturell schwachen Region als Touristenattraktion.
Als kleines Wunder folgte sogar der Wiederaufbau des westlich anschließenden Streckenabschnitts über die inzwischen zur Staatsgrenze mutierte serbisch-bosnischen Grenze nach Višegrad; leider gab es nach dem medial groß inszenierten Eröffnungszug im Jahr 2010 keinen fahrplanmäßigen Betrieb. Mehr als eine Hand voll privater Sonderfahrten dürften über die neue Strecke nicht gerollt sein, inzwischen dürfte der Verkehr ganz ruhen.

Die Anreise erfolgte – wie immer – so weit wie möglich per Bahn. Zunächst nach Budapest und von dort mit dem Nachtzug nach Belgrad:

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Anschließend mit dem Schnellzug Richtung Bar, den man in der idyllischen Kleinstadt Užice verlässt.

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Von dort aus ging es mit dem Taxi nach Mokra Gora. Trotz der Entfernung von ~40 km und einer Fahrzeit von einer Dreiviertelstunde war das Taxi absolut leistbar, in Österreich hätte man auf einer vergleichbaren Distanz im Postbus ähnlich viel gezahlt.

Am Nachmittag des 16.4.2014 sowie am Vormittag des 17.4.2014 fuhr ich je einmal von Mokra Gora nach Šargan Vitasi und zurück. Das Wetter war bei beiden Fahrten alles andere als berauschend, am 17. gab es sogar Schneefall.

Im Bahnhof Mokra Gora war ein Sammelsurium unterschiedlichster Personenwagen zu sehen.

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Dieser skurril anmutende Personenwagen war auf dem aus Višegrad kommenden Streckengleis abgestellt.

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Der abfahrbereite Zug. Es stehen zwar einige zur Strecke passende betriebsfähige Dampfloks zur Verfügung, im Normalfall wird jedoch mit einer aus Rumänien importierten Diesellok des Typs L45H gefahren. Diese Loks waren nie planmäßig auf den jugoslawischen Schmalspurbahnen unterwegs.

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Von der anderen Seite aus betrachtet. Die Gebäude im Hintergrund stehen als Übernachtungsmöglichkeit für Touristen zur Verfügung.

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Bald nach der Abfahrt und der ersten Kehrschleife sieht man am Talgrund eine kurze, neu gebaute Waldbahn mit einer Spurweite von 600 mm.

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Nach einer weiteren Kehrschleife erreicht man die einst als Filmkulisse erbaute Station Golubići.

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Neben einer Fahrraddraisine ist dort auch ein Schienenauto ausgestellt, das in dem dort gedrehten Film Verwendung fand.

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Von dort aus sieht man auf den Bahnhof Mokra Gora und das zugehörige Dörfchen.

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Nach zwei kurzen Tunnels folgt der Bahnhof Jatare, in dem, dem touristischen Charakter der Bahn entsprechend, ein Restaurant eingerichtet ist.

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Es folgen ineinander verschlungene Kehren.

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In der obersten "Ebene" wurde eine Haltestelle mit einer Aussichtsplattform errichtet, von der aus man auf darunter liegende Streckenabschnitte sieht.

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Nach dem 1,667 km langen Scheiteltunnel erreicht man den Endbahnhof Šargan Vitasi, der gleichzeitig der Betriebsmittelpunkt der Strecke ist. Auf den umfangreichen Gleisanlagen waren vor allem Güterwagen und Bahndienstfahrzeuge abgestellt, unter einem Flugdach versteckte sich diese interessante Draisine.

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Auch eine Dampflok der Reihe 83 war dort zu finden.

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Bereit zur Rückfahrt!

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Die Reihe 4010 (1965-2008). Der wahrscheinlich schönste Triebzug der Welt.
Bahndoc
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Registriert: 31. Mai 2010, 14:34

Re: Šarganska osmica (serbische Museumsbahn)

Beitrag von Bahndoc »

Danke für die Doku, war erst selbst vor 2 Jahren mit Kollegen von Club 760, U 44, Stef und VEF dort und im Kohlenrevier Banovici und habe mehrere 83-er in Betrieb erlebt, sehr eindrucksvoll, Mokra Gora und Sargan 8 waren die Krönung und sind absolut sehenswert!
Christian
croquy
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Registriert: 20. März 2010, 13:34

Re: Šarganska osmica (serbische Museumsbahn)

Beitrag von croquy »

Danke fürs Einstellen deines Berichts - sehr interessant! Ich habe mir eh schon überlegt, ob die Bahn mal eine Reise wert wäre, da motiviert einen so ein Bericht natürlich :cool: . Wenn ich's richtig sehe ist im gesamten ehem. Jugoslawien ansonsten nichts museumsbahnmaessig auf bosnischer Spur unterwegs, ist das richtig?

Patrick
Such is life! :rolleyes:
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