Es war einmal... (die Weissenbachtalbahn, WTB)

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Moderator: Stephan Rewitzer

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Uli Biechele
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Es war einmal... (die Weissenbachtalbahn, WTB)

Beitrag von Uli Biechele »

Diesmal möchte ich Bilder neuer Module unter dem Titel „Es war einmal“ vorstellen, denn meine Weissenbachtalbahn – WTB - hat es nie gegeben. Schon früh hatten mich die Beiträge des inzwischen leider verstorbenen Rudolf Merz, alias „Loisl“, fasziniert. In vielen Fällen rein fiktive Modellvorschläge, aber dennoch mit Bezügen zu realen Betriebsabläufen und Geschehnissen, und oftmals mit kurzen Geschichten hinterlegt, so „wie es einmal hätte sein können".

So habe auch ich mir während des Baus meiner Module eine zunehmend komplexe Geschichte ausgedacht, wie es zum Bau der WTB gekommen ist, und ich muss zugeben, es hat mir unglaublich Spass gemacht. Insofern hier verkürzt: Es war einmal…:

Die Weissenbachtalbahn

Die schmalspurige Lokalbahn von Bad Schwarzenberg nach Falkenstein am See

Diese Bahn liegt irgendwo im deutschsprachigen Raum im Schwarzenberger Wald, Teil des Vogelgebirges, einem ausgedehnten Mittel- oder Voralpengebirge.

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Übersichtskarte


Am 01. August 1884 wurde eine normalspurige Eisenbahn von Neustadt am Wald (bereits früher durch eine Hauptbahn angebunden) nach Bad Schwarzenberg, einem Heilbad und Stammsitz der von Schwarzenbergs, feierlich eröffnet. Zu den Eröffnungsfeiern, die sich über drei Tage hinzogen, reiste im ersten offiziellen Zug seine großherzogliche Fürstlichkeit Albrecht von Ratundtatenlos samt seiner Gattin Großherzogin Rubensia von Üppigen an.

Somit war Bad Schwarzenberg und das gesamte Schwarzwassertal an das Eisenbahnnetz angeschlossen.


Der Bau der Weißenbachtalbahn

Bereits bei der Planung der Linie Neustadt am Wald - Bad Schwarzenberg wurde eine mögliche Verlängerung dieser Strecke nach Falkenstein am See - also gleichfalls normalspurig – ins Auge gefasst.

Falkenstein am See ist neben Bad Schwarzenberg einer der Hauptorte im Vogelsgebirge. Von hier aus nahmen alle wesentlichen Passstraßen über den Hauptkamm des Vogelgebirges ihren Ausgang. Eine hier eingerichtete Zollstelle bewirkte den raschen Aufstieg von Falkenstein am See und außerdem wurde der Ort zu einem bedeutenden Wallfahrtsort. Im 19 Jahrhundert wuchsen die Verkehrsströme erstmals an, was die Wirtschaft – genau genommen die Gastwirtschaften – Falkensteins am See deutlich belebte. Auch Klein- und Mittelindustrie siedelte sich – die Energie des Weißenbachs nützend – entlang des Weißenbachtals und insbesondere in der Umgebung von Falkenstein am See an.

Als nun Planungen für den Weiterbau der Bahn von Bad Schwarzenberg aufgenommen wurden ergab es sich dann aber, dass das Großherzogtum den „in naher Zukunft nicht mehr vollkommen auszuschließenden Staatsbankrott“ erklären musste, nachdem die Großherzogliche Familie und der Landesrat sich bei Börsengeschäften zur Staatshaushaltsvermehrung völlig verspekuliert hatten. Dies hatte zur Folge, dass sämtliche Planungsarbeiten unverzüglich eingestellt werden mussten.

Erst 1891, also sieben Jahre nach Eröffnung der Linie nach Bad Schwarzenberg, konnte der Landesrat vermelden, dass der Staatsbankrott „im Augenblicke mit knappster Not“ habe abgewendet werden können. Zugleich jedoch wurden alle öffentlichen Stellen zur äußersten Sparsamkeit aufgefordert. Dies führte dazu, dass eine Reihe von geplanten Eisenbahnlinien im Großherzogtum erst sehr viel später oder zum Teil gar nicht mehr ausgeführt wurde.

Nicht so die Strecke Bad Schwarzenberg - Falkenstein am See. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden positiven Auswirkungen erteilte der Landesrat in seiner ordentlichen Sitzung vom 19.02.1893 schließlich die Genehmigung zum Bau „einer secundärlichen staatlichen Localbahne von Bad Schwarzenberg nach Falkenstein am See“.


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Anschluss Kohlenhandel

Mit der Planung und Bauleitung wurde Oberstingenieur Ernst Baumann beauftragt. Die Bauausführung wurde der Firma Pfuscher & Söhne K.O. (Kommanditistische Organisation) übertragen.

Nach einer Bauzeit von nur 8 Wochen musste diese jedoch Konkurs anmelden und die Arbeiten mussten unverzüglich eingestellt werden. Dieser Konkurs brachte das Projekt nun abermals beinahe zum Scheitern. Es stellte sich heraus, dass das im Rahmen der Ausschreibung unterbreitete Angebot der Firma Pfuscher & Söhne K.O. völlig illusorisch gewesen war und die Angebote der – realistisch kalkulierenden – Mitbewerber um das dreifache unterboten hatte. Zwar hatte die Bauleitung, allen voran Oberstingenieur Ernst Baumann bereits deutliche Zweifel an diesem Angebot angemeldet, doch das Großherzogtum sah sich aufgrund seiner finanziellen Situation nicht in der Lage dieses „fantastische Angebot zur Kostenreduzierung“ auszuschlagen.

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Bachübergang am Kohlenhandel

Aufgrund der politischen Kräfteverhältnisse war nunmehr nicht abzusehen, was aus dem Bahnprojekt werden sollte. Der Landesrat widerrief zunächst „bis zu einer Klärung der finanziellen Umsetzbarkeit der Localbahn und zur Verhinderung einer über die staatlichen Ressourcen hinausgehenden Kostenbelastung bis hin zum Staatsbankrotte“ die erteilte Baugenehmigung.

Der Landesrat war in seiner Haltung bezüglich des weiteren Vorgehens im Wesentlichen in zwei Lager gespalten: Die Befürworter wollten die höheren Angebote der anderen Ausschreibungsbewerber annehmen und dafür weitere Kredite aufnehmen. Die ablehnende Fraktion wollte den Haushalt weiter konsolidieren und drängte zur äußersten Sparsamkeit. Keines der beiden Lager war jedoch im Stande eine Mehrheit auf sich zu vereinigen. Die Frage sollte daher zunächst im „Ausschuss des Rates zum Eisenbahnwesen im Generellen“ behandelt werden, bevor man die Frage im Rat weiter erörtern wollte. Dieser übertrug die Frage weiter an den „Unterausschuss des Rates zum Eisenbahnwesen im Generellen aber nicht ganz Allgemeinen“. Von diesem wurde die Angelegenheit wiederum an das „ergänzende Gremium des Unter-Ausschusses des Rates zum Eisenbahnwesen im Generellen aber Speziellerem“ weitergeleitet, von wo es schließlich an das „zuarbeitende Konsortium des ergänzenden Gremiums des Unter-Ausschusses des Rates zum Eisenbahnwesen im Generellen aber Speziellerem“ gelangte. Eine Entscheidung konnte somit bestenfalls in (k)einem der kommenden Jahre erwartet werden.

Infolge dessen hatte sich der Bürgermeister von Bad Schwarzenberg, Hofrat von Schlaulingen, mit den Vertretern der Wirtschaft und Politik im Weißenbachtal in Verbindung gesetzt um die Möglichkeit eines privat finanzierten Bahnbaus zu erörtern. Zwar waren die Beteiligten ausnahmslos von der Idee angetan, doch zeigte sich schnell, dass die erforderlichen Mittel nicht alleine beschafft werden könnten und man war daher skeptisch bezüglich der Möglichkeit einer Umsetzung.

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Gesamtansicht Modul Kohlenhandel

Doch als man mit Oberstingenieur Ernst Baumann die verlassene Baustelle für eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Baumaterialien inspizierte, nahm die Angelegenheit die entscheidende Wendung. Man fand vor Ort nämlich nicht unerhebliches Feldbahnmaterial der Firma Raum-Optimiertes-Constructions-Operational (ROCO) vor, die die Baufirma Pfuscher & Söhne K.O. für den Bahnbau einsetzen wollte. Hofrat von Schlaulingen kam die Idee, doch eine Eisenbahn mit diesem Material zu bauen. Hiermit müssten sich doch, so seine Einschätzung, die Baukosten drastisch senken lassen. Auf Nachfrage bei Oberstingenieur Ernst Baumann erklärte dieser, dass dies prinzipiell möglich sein sollte, er aber doch Bedenken in der Umsetzung und der Verknüpfung mit der bestehenden Normalspurbahn habe. Daraufhin erklärte sich Hofrat von Schlaulingen und Falkensteins Bürgermeister Josef, „Sepp“ Wichtling (der bislang wenig zur Diskussion beigetragen hatte, aber jetzt eine Profilierungsmöglichkeit kommen sah), sich im Ausland und bei versierten Fachleuten umzusehen.

Nach ausgiebigen Aufenthalten vor allem in Österreich, Sachsen, Württemberg und der Schweiz und nach Gesprächen mit Fachleuten kam man 1896 abermals in Bad Schwarzenberg zusammen und wertete die gewonnenen Erkenntnisse und Auskünfte aus.

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am See

Im Ergebnis entschied man sich für die schmalspurige Ausführung der Privatbahn. Die Baukosten würden um zwei Drittel günstiger als bei der avisierten Normalspurvariante. Zwar erkannte man die betrieblichen Einschränkungen einer solchen schmalspurigen Bahn im Vergleich zu einer vollspurigen Variante, da aber an eine Verwirklichung einer normalspurigen Bahn von Staats wegen letztendlich angesichts der nach wie vor prekären finanziellen Lage des Großherzogtums bzw. durch die Beteiligten nicht zu denken war, akzeptiert man diese. Auch wollte man erst gar nicht versuchen, den Staat zum Bau einer Schmalspurlinie zu bewegen, fürchtete man doch, eine Verwirklichung der Eisenbahnlinie könnte bei weiterem Zuwarten gänzlich scheitern. Den Nachteil, dass somit keine durchgehenden Züge von und nach Neustadt am Wald oder gar weiter geführt werden konnten, nahm man gezwungener Maßen in Kauf.

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am See

Nachdem Oberstingenieur Ernst Baumann die Planungen für die schmalspurige Linie umgearbeitet und überarbeitet hatte, beantragte man Ende 1896 sodann den Bau „einer von privater Hand zu führenden und zu erstellenden secundärlichen Localbahne , jedoch in der von der normal zu gebrauchenden Spur abweichenden Spurweite von 700 zuzüglich 83 Millimetern“ [Anmerkung: dies entspricht „zufällig“ 9mm Spurweite im Maßstab 1:87]

Die beantragte Spurweite ergab sich aus dem vorhandenen Gleismaterial der Firma ROCO. Dieses konnte nebst einigen Fahrzeugen kostengünstig vom Konkursverwalter der Firma Pfuscher & Söhne K.O. erworben werden. Außerdem erkannte man, dass sich viele Fahrzeuge anderer Bahnen von 750, 760 oder auch 1000 mm auf diese Spurweite umspuren ließen – ein vorausschauender Gedanke, der der Bahn später das Überleben sichern sollte.

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kleine Bachbrücke mit Wasserfall


Bereits nach nur einer Sitzung des Landesrates wurde dem Antrag stattgegeben, nachdem alle Parteien im Rat erleichtert waren, die Angelegenheit vom Tisch zu bekommen, und der „von privater Hand zu bauenden und zu führenden Weißenbachtthalbahne von Bad Schwarzenberg nach Falkenstein am See“ wurde die „gnädigste“ Genehmigung erteilt.

Oberstingenieur Ernst Baumann beauftragte nun umgehend die renommierte Firma Niet & Nagel GobH (Gesellschaft ohne besondere Haftung). Diese setzte die Vorgaben zügig um, so dass die Strecke nach nur 16-monatiger Bauzeit fertig gestellt werden konnte. Am 29. Juli 1898 erfolgte die feierliche Eröffnung. Die Feierlichkeiten dauerten unter großer Beteiligung der Bevölkerung zwei Tage an.

Die 43,9 Kilometer lange Strecke bewältigt eine Höhendifferenz von 376,98 Meter. Der Ausgangspunkt Bad Schwarzenberg liegt auf 478,18 Meter über NN, der Endbahnhof Falkenstein am See liegt auf 855,16 Meter. Circa 2/3 der Strecke liegen in Steigungen, die größte Steigung beträgt 28 o/oo. Der kleinste Radius auf freier Strecke beträgt 40 Meter [dies entspricht dem Ausgleichsbogenradius ROCO H0e]. Die Weichen weisen einen Winkel von 15 Grad auf.

An der Strecke liegen die Bahnhöfe Bad Schwarzenberg, Krähendorf, Rabenstein, Adlersberg, Drosselhausen, Falkenstein am See, sowie die Haltestellen Eulenried, Schwalbenhöhe, Kranichfeld, Storchlingen, Sperberhofen, Spatzenkirch und Lerchenbach.

Der Bahnbetrieb unterlag den Vorschriften des vereinfachten Nebenbahndienstes. Sämtliche Bahnhöfe besaßen nur Weichen mit Handverschlüssen. Der Zugleiter war in Falkenstein am See angesiedelt und überwachte die Gesamtstrecke.


... Nun, ich hoffe, zumindest dem ein oder Anderen hat diser Ausflug in die Fiktion Spass gemacht und auch die Bilder haben gefallen. Inzwischen hat der Bau eines Bahnhofs, der zumindest auch als Endstation dienen kann, begonnen. Aber das wird wohl noch eine gute Weile dauern. Und wer weiß, vielleicht wurde die WTB ja noch weiter gebaut oder erhielt eine Seitenlinie, und wurde sie später verstaatlicht oder blieb sie privat geführt, und wie entwickelte sich wohl der Verkehr und mit welchen Fahrzeugen, und, und , und ...

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Abendzug

LG

Uli
kke
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Beitrag von kke »

Hallo Uli!

Bilder anschauen macht Spaß, vorallem von schönen Anlagen! Mein Kompliment auf alle Fälle!

LG kke
Ich vertraue niemanden, ich misstraue niemanden, aber ich traue jedem alles zu!

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kke=charlyfix=Karl Keil
hubauer2006
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Beitrag von hubauer2006 »

Hallo!

Auch von mir ein Kompliment!

Die Module sind echt ein Traum!!!! :razz:
Freundliche Grüße aus Steyr! :razz:

Daniel
timobahn
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Beitrag von timobahn »

Hallo Uli,

eine sehr interessante Geschichte. Ich finde es schön, wenn sich jemand über seine Bahn Gedanken macht und die Entwicklung niederschreibt.

Viele Grüße
Timo
Straßentransport ist Schienenmord!
djroby63
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Beitrag von djroby63 »

Das sind ja Klasse Module toll mein Kompliment. :grin:
Lg.
Robert
L.G. aus Wien
Robert

Eine Altkasten 1099er als leistbares Modell wäre der Hammer.
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FreddyK
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Beitrag von FreddyK »

Sehr schöne Geschichte und 1a Module.
Werde das "Weissenbachtal" in meine nächste Urlaubsplanung aufnehmen! :wink:

Viele Grüße
Freddy
teetrix
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Beitrag von teetrix »

Hallo Uli,
tolle Module ! Besonders gefällt mir die stimmige Landschaft mit den perfekt passenden Hintergrundkulissen, wenn auch deren Farben für meinen Geschmack etwas zu kräftig ausgefallen sind - aber das kann auch an der Beleuchtung liegen.
Der umgebauten HF-Lok und vor allem der Wagenbeschriftung nach dürfte das Großherzogtum übrigens nach dem letzten Krieg hinter den "eisernen Vorhang" geraten und die Bahn 1949 von der Reichsbahn übernommen worden sein :razz:
Bei der Spurweite bist Du gar nicht so exotisch, nur 2 mm mehr, und Du hast die oberschlesische Industriespurweite von 785 mm, in der es dort ein großes Netz gab, die Rhein-Sieg-Eisenbahn ist, glaube ich, ebenfalls in dieser Spurweite ausgeführt.
Da ich im Moment an einem ähnlichen Projekt arbeite, grüße ich als

Geheimer Baurath und Eisenbahnminister des Herzogtums Henneberg-Meilingen sowie Mitglied der Baucomitées der Meilingen-Buchenroder Eisenbahn sowie der Oberroder Eisenbahn-Gesellschaft.
Michael
David93
Beiträge: 914
Registriert: 8. Mai 2008, 15:05
Wohnort: Retzelfembach (Mittelfranken)

Beitrag von David93 »

Ich kann mich allen komentaren nur anschließen, super schöne Bilder!!!
MfG David.

Rechtschreibfehler sind Special Effects meiner Tastatur!
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