Nebenbahnen in der Wiener Zeitung 17.08.2010

Bücher, Zeitschriften, -Ausschnitte, Videos, ...

Moderator: Stephan Rewitzer

Antworten
unti
Beiträge: 2160
Registriert: 17. Januar 2004, 13:08
Wohnort: Ober-Grafendorf an der Mariazellerbahn
Kontaktdaten:

Nebenbahnen in der Wiener Zeitung 17.08.2010

Beitrag von unti »

Servus!
Wiener Zeitung am 17.08.2010 hat geschrieben:Österreich ist das Land der Regionalbahnen: Begonnen hat der Bauboom in den Ländern vor rund 100 Jahren

Licht am Ende des Bahntunnels

Die Zukunft der Mariazellerbahn ist im Gegensatz zu anderen Regionalbahnen gesichert.


Von Christoph Rella

Aufzählung Regionalbahnen: Seit Jahren versuchen die ÖBB Nebenlinien abzustoßen.
Aufzählung Landesbahnen zeigen vor, wie Defizit-Strecken wieder Gewinne bringen.
Aufzählung In Niederösterreich soll die Ybbstalbahn durch Busse ersetzt werden.

Graz/Salzburg/St.Pölten. Es war die goldene Zeit des Bahnbaus in Österreich. Allein in Niederösterreich, auf dem Gebiet des damaligen Erzherzogtums Österreich unter der Enns, wurden zwischen den Jahren 1898 und 1914 nicht weniger als 23 neue Regionalbahnstrecken eröffnet. Einen ähnlichen Bauboom erlebten auch die Länder Steiermark und Salzburg, wo bereits 1890 das "Steiermärkische Eisenbahnamt" und 1907 die "Salzburger Eisenbahn und Tramway Gesellschaft" gegründet worden waren.

Heute, mehr als 100 Jahre später, sind die fetten Jahre der Nebenlinien vorbei – und die vielerorts in den 1920er und 1930er Jahren aufgelösten und von den ÖBB monopolisierten Landesbahnen feiern ihre Auferstehung. Allerdings ist der Preis für die Rettung dieser Nebenbahnen hoch: "Wir übernehmen bis 1. Jänner 2011 insgesamt 624 Kilometer Gleise", kommentierte Niederösterreichs Verkehrslandesrat Johann Heuras im März die Wiedergründung der Landesbahngesellschaft. "Zwei Drittel der Strecken sind längst tot. Hätten wir nicht gehandelt, hätten die ÖBB auch noch die übrigen Strecken an die Wand gefahren."

Übrig geblieben sind im größten Bundesland letzten Endes nur wenige Lokalbahnen: Unter dem Dach des Landes fix überleben und für touristische Zwecke weitergeführt werden unter anderem die Mariazellerbahn, die Waldviertler Schmalspurbahn bei Gmünd und der "Reblaus-Express" zwischen Retz und Drosendorf. Nur wenig Überlebenschancen werden der Thayatalbahn an der tschechischen Grenze und der Ybbstalbahn zugerechnet. Die positive Seite des Kahlschlags: Land, Bund und die ÖBB wollen in den kommenden Jahren 117 Millionen Euro in die Landesbahn stecken.

"Lebensadern der Regionen"

Davon, wie es früher einmal war, weiß der ehemalige Fahrdienstleiter Ernst Haigl aus Lunz am See zu berichten: Vor 30 Jahren etwa sei die Ybbstalbahn noch "voll" gewesen. "Dann kam die Zeit des Einschlafens. Heute pendelt niemand mehr", seufzt er. Gründe, warum den Regionalbahnen besonders viele Kunden weglaufen, gibt es genug: Der Siegeszug des Autos und der damit verbundene Ausbau des Straßennetzes ist aber nur eine Seite der Medaille. Oft wurde wenig bis nichts in die Infrastruktur investiert, viele Gleisanlagen stammen noch aus der Zeit der Monarchie. Die Folge sind ständig auftretende Schäden und die Einführung von Langsamfahrstellen. "Deshalb gibt es ja Fahrpläne, die kein Mensch braucht", klagt Haigl. Inzwischen wird immer öfter gefordert, defizitäre Bahnstrecken überhaupt zuzusperren, wie Franz Meyer in einem Leserbrief an die Redaktion der "Wiener Zeitung" vorschlägt: "Jeder Tag, an dem Bahnen wie die Ybbstalbahn fahren, ist ein verlorener Tag." Und: "Von Nostalgie alleine kann man nicht leben."

Einer, der sich über Argumente wie diese leidenschaftlich ärgert, ist Peter Haibach, Vereinsobmann der 2004 gegründeten Fahrgastinitiative und Plattform "Pro Bahn Österreich". "Unsere Nebenlinien sind aufgrund ihrer Multifunktionalität Lebensadern in den Regionen", lautet sein Credo. Nicht erfreut ist Haibach daher über die Pläne der ÖBB und mancher Verkehrslandesräte, defizitäre Linien am Land durch Busverbindungen zu ersetzen. "Angesichts der verstopften Straßen sind Busse keine Alternative", wettert er. "Und die betroffenen Regionen werden bald zu spüren bekommen, was es bedeutet, nur noch Montag bis Freitag ein öffentliches Busangebot zu haben und mit einem ausgedünnten Busnetz leben zu müssen." Erfahrungen aus mehreren Ländern hätten zudem gezeigt, dass zwei Drittel der Fahrgäste bei Umstellung auf Busbetrieb aufs Auto umsteigen, warnt der Obmann. Geht es nach ihm, spricht alles für den Erhalt der Nebenbahnen: Sieben-Tage-Betrieb für Schüler, Pendler und Wanderer, staufreier und witterungsunabhängiger Betrieb, Anziehungspunkt für Touristen und Bahnfreunde sowie Möglichkeiten der Verlagerung des kommunalen Güterverkehrs von der Straße auf die Bahn.

Dass zumindest Letzteres funktionieren kann, hat in den vergangenen Jahren die Pinzgauer Lokalbahn in Salzburg unter Beweis gestellt. Auch sie war kurz vor dem Aus gestanden, bevor sie schließlich doch am 1. Jänner 2008 vom Land übernommen und in die Obhut der Salzburger Lokalbahn und der Salzburg AG, an der Stadt und Land Salzburg zu 74 Prozent beteiligt sind, gegeben wurde. Seitdem schreibt die früher schwer defizitäre Regionallinie vor allem beim Güterverkehr wieder Gewinne: Das Transportvolumen konnte bereits im ersten Jahr von rund einer Million Tonnen im Jahr 2005 auf mehr als 1,7 Millionen gesteigert werden. Das Erfolgsrezept der Betreiber beschreibt deren Geschäftsführer Gunter Mackinger so: "Wir sind ein Nischenplayer, der durch Flexibilität und vielfältige Kooperationen sehr individuelle Lösungen bieten kann." Als ÖBB-Konkurrent will sich der Manager nicht sehen: "Wir sind in ganz anderen Märkten aktiv. Die großen Transporte der ÖBB könnten wir gar nicht leisten."

Nebenbahn ins Ausland

Aber nicht nur beim Gütertransport verzeichnet die Salzburg AG Erfolge, sie expandiert sogar ins benachbarte Ausland: So wurde etwa im Dezember 2009 die Bahnverbindung von Reichenhall bis zur Landesgrenze bei Freilassing an ein Konsortium von Salzburg AG und Regentalbahn vergeben, das nun "mit modernen Nahverkehrsgarnituren für noch mehr Komfort und Service sorgt", wie Mackinger betont. Damit die Fahrgäste ohne Unterbrechung direkt in die Landeshauptstadt jenseits der Saalach weiterfahren können, ist die Salzburger Lokalbahn eine Kooperation mit den ÖBB eingegangen, die ihrerseits im heurigen April eine Anbindung bis Golling eingerichtet haben. Seitdem werden die Garnituren in Freilassing der jeweilig anderen Bahngesellschaft "übergeben", womit die Regionalbahn nun sowohl in Bayern als auch in Salzburg verkehrt.

Was im niederösterreichischen Ybbstal nicht möglich ist, scheint in Salzburg auch für die ÖBB zu funktionieren: "Seit der Eröffnung haben sich die Fahrgastzahlen auf der Strecke zwischen Golling und Salzburg schon mehr als verdoppelt", berichtet ÖBB-Regionalmanager Erich Fercher stolz. Aufgrund der starken Nachfrage wurden sogar zwei zusätzliche Haltestellen in den Stadtteilen Mülln-Altstadt und Aiglhof errichtet. Finanziell unterstützt wurden Bundes- und Lokalbahn vom Land Salzburg, das 20 Prozent der Baukosten übernahm. Ausdrückliches Lob dazu kommt von Bahnkritiker Haibach: "Es ist erfreulich, wenn ÖBB und die AG so gedeihlich kooperieren. Ich hoffe, dass sie den Weitblick behalten", sagt er.

Nicht allzu große Herausforderungen erwarten die ÖBB in der Steiermark, deren Nebenbahnen großteils Eigentum der Steiermärkischen Landesbahn sind. Noch nicht zugeschlagen hat das Land bei der ÖBB-Strecke Bad Radkersburg-Spielfeld, wo bereits im Vorjahr der Güterverkehr eingestellt wurde. Dafür wurden die ÖBB scharf kritisiert. Sie hätten, so die Darstellung der steirischen Grünen aus dem Jahr 2008, die Gütertransporte "vorsätzlich zum Erliegen gebracht". So sollen Lieferverträge mit Firmen nicht mehr verlängert, Tarife um ein Vielfaches erhöht und sogar Anschlussgleise herausgerissen worden sein.

Kunden fürchten, dass früher oder später auch der Personenverkehr betroffen sein könnte. "Davon ist mir nichts bekannt", sagt ÖBB-Sprecher Walter Mocnik auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Kürzlich seien erst mehrere Haltestellen entlang der Strecke saniert worden, auch von einer Einstellung des Personenverkehrs sei nie die Rede gewesen, erklärt er. Was den Güterverkehr betrifft, sei die Region nicht mit Betrieben gesegnet – und der Konzern trotzdem gezwungen gewesen, marktübliche Preise zu verlangen, was aber nicht funktioniert habe. "Der Personenverkehr bleibt auf jeden Fall aufrecht", verspricht Mocnik. Außerdem würden sich die Regionalbahnen "prächtig entwickeln".

Gratis-Tickets als Lockmittel

Wo das nicht so ist, sind kreative Ideen gefragt. Einen ungewöhnlichen Einfall hatte der Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Harmannsdorf-Rückersdorf, Norbert Hendler. Er wollte den Leuten das Bahnfahren wieder schmackhaft machen: Und so liegen seit 15. März in seinem Amt Bahn-Schnuppertickets für die Regionalstrecke Wien-Asparn auf, die gratis ausgeborgt werden können. Dass das Angebot gern angenommen wird, beweist seiner Meinung nach einmal mehr, "dass der Bedarf für einen funktionierenden öffentlichen Verkehr gegeben ist". Die Reaktivierung der Landesbahn begrüßt der Bürgermeister. So wie wohl sein Vorgänger – vor rund 100 Jahren.
lg
Oliver
Sie werden sehen,
wir werden fahren!!

http://www.Mh.6.at
gronauer
Beiträge: 115
Registriert: 24. Mai 2010, 20:33

Beitrag von gronauer »

Hallo!
Zu dem interessanten Artikel möchte ich noch etwas hinzufügen: Regionen in Österreich, die auch stark vom Fremdenverkehr leben, könnten sich z.B. an so etwas ein Beispiel nehmen

Bild

Jeder Gast, der vom Vermieter der Wohnung/Zimmer beim Verkehrsamt angemeldet wird!!!! (nix schwarz unter der Hand, ohne Steuern und sonstiges wie Kurtaxe) bekommt eine solche Gästekarte.
Der Vermieter, der so etwas nicht rausrückt, hat bei den Erklärungsversuchen spätestens nach dem ersten Gespräch unter Gästen ein Problem.
Ich hoffe man kann das Kleingedruckte lesen.
Der Freifahrtbereich umfasst in diesem Fall ein Gebiet von Basel bis Offenburg, vom Rhein bis in den Schwarzwald.
Bevor man dort das Auto nimmt, überlegt man sich das dort.
Es wäre sicherlich für beide Seiten ein mehrfacher Gewinn. Finanziell für die Gemeinden, die plötzlich feststellen, das es doch ne Menge mehr Übernachtungen gibt, für den Gast, weil er umsonst fahren kann, für die Umwelt, weil ein Auto mehr für einen gewissen Zeitraum stehen bleibt.

Das so etwas, weil es ja ,,umsonst" ist, von Interesse ist, kann man ja im Beitrag lesen.

Gratis-Tickets als Lockmittel
Wo das nicht so ist, sind kreative Ideen gefragt. Einen ungewöhnlichen Einfall hatte der Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Harmannsdorf-Rückersdorf, Norbert Hendler. Er wollte den Leuten das Bahnfahren wieder schmackhaft machen: Und so liegen seit 15. März in seinem Amt Bahn-Schnuppertickets für die Regionalstrecke Wien-Asparn auf, die gratis ausgeborgt werden können. Dass das Angebot gern angenommen wird, beweist seiner Meinung nach einmal mehr, "dass der Bedarf für einen funktionierenden öffentlichen Verkehr gegeben ist".

Hoffe nicht zu sehr genervt zu haben
Gruß
Manfred
Antworten