@ Erich Hafner: Die Ybbstalbahn fällt noch lange nicht auseinander.
Ich seh’ schon ein, dass es besonders in diesen Tagen, da es um Sein oder Nichtsein der Ybbstalbahn geht, „kommunikationstaktisch“ nicht immer opportun ist, wenn die YB „krankgebetet“ wird (das wird ohnehin anderswo „engagierter“ betrieben, wo man ein Begräbnis letzter Klasse nimmer derwarten kann) bzw. wenn deren Infrastrukturzustand eventuell prekärer dargestellt wird, als er tatsächlich sein mag. Tatsache ist: Hier artikuliert sich (ohnehin recht handzahm) Unzufriedenheit, Wut, Ärger und Unverständnis angesichts der aktuellen (Polit-)Farce. Dass dabei hie und da zugespitzt formuliert oder übers Ziel hinausgezielt wird, bildet ebendiesen Ärger ab.
Mit dem „Auseinanderfallen“ der YB meinte ich nicht allein den (auch von dir nicht bestrittenen) ... äh ... suboptimalen Zustand der Infrastruktur, sondern das „Gesamtsystem“ Ybbstalbahn. * Und dazu gehören medial abgestimmte, (partei-)politisch lancierte und per Auftragsstudie „gestützte“ Querschläger/Vorstöße/„Versuchsballons“ à la „Bus + Sammeltaxi + Radweg = x-mal effizienter/moderner/billiger/vernünftiger/... als DIESE Bahn“ (Ich seh sie vor mir: die wegen der Ybbstalbahnmisere (lt. „NÖN“) „erbosten“ Ybbsitzer, Göstlinger oder Waidhofner Gemeinderäte, die aus Protest gegen das armselige Dahindarben der Bahn ihre Protz-SUVs in die Ybbs bugsieren und sich hernach todesmutig an die Schienen ketten ...). * Dazu gehört auch der weitgehende Unverstand der Touristiker in den Anrainergemeinden, dass man nämlich der Bahn halt auch ordentlich Heu vorlegen muss, will man sie später einmal ordentlich melken (dass im Ybbstal nachhaltige bahnrelevante touristische Konzepte in die Gänge gekommen wären, davon ist mir nichts bekannt). * Dazu gehören abstrus unausgegorene (Teil-)Umspurungspläne und lancierte Bene-Begehrlichkeiten ebenso wie die lächerliche Diskussion um die vier EKs zw. Gstadt u. Ybbsitz. * Dazu gehören neben aberwitzig langen (Teil-)Einstellungen (zuletzt: 6 Monate!) und Fahrplanausdünnungen (u. a. „Restzugpaar“ Gstadt–Ybbsitz) zuletzt das Fahrplankasperltheater. Diese Liste kann sicher von einigen hier noch erheblich erweitert werden. Sicher alles keine „Bringer“, die in der (lokalen) Bevölkerung oder bei Touristen eine Pro-YB-Bahn-Stimmung befördern, sondern doch eher Fahrgastvertreibung mit System (und an „Zufälle“ oder an „die Vorsehung“ glaub’ ich weniger – die ist schließlich vor mehr als 60 Jahren aus der Mode gekommen). Und solcherart infrastrukturell, medial und schließlich imagemäßig „sturmreif geschossen“, soll eine – nobel formuliert – ohnehin schwächelnde Bahn NICHT „auseinanderfallen“?
Noch einmal (auch auf die Gefahr hin, damit einmal mehr den Ybbstalbahn-affinen Plauderwastl zu geben): Es gibt da nach wie vor rechtsverbindliche (?) Vereinbarungen („Verkehrsdiensteverträge“, „Vertrag von Gösing“ u. a.), abgeschlossen zwischen Land und Bund; und wenn da die „gegnerische“ Seite so gar nicht spuren mag (diesfalls die ÖBB), dann forder’ ich halt mein Recht über den Klagsweg ein (dessen Verlauf und Länge natürlich nicht vorhersehbar ist). Aber (als Beispiel): Wenn wegen der zahlreichen aktuellen Fahrplanverschlechterungen in NÖ das Land droht, einen an die ÖBB zu überweisenden niedrigen zweistelligen Millionenbetrag „einzufrieren“, kratzt das die ÖBB weniger als ein sich kräuselndes Nasenhaar eines Gewerkschafters (Siehe auch hier:
http://noe.orf.at/stories/323688/); da und dort wird dann halt „ein wengerl ,fürs Aug’‘ nachjustiert“, das Gekläff wird leiser, und der Radlbrunner Landesscheitel kann sich einmal mehr als furchtloser Robin Hood (diesfalls der Bahnpendler) beglückwünschen lassen.
Konkret zur YB: Das Land NÖ „bestellt Verkehrsdienstleistungen“ für „seine“ Schmalspurbahnen beim Eigentümer/Betreiber ÖBB und casht diesen pro anno etwas mehr als 4 Mio. € (nicht gerade die Mördersumme angesichts der Betriebsabgänge und der längst überfälligen Investitionen), und (so wird auf der NÖVOG-Site mit ein paar dürren Zeilen der Gösinger Vertrag ausbuchstabiert): „Der Bund trägt die Kosten für die Bereitstellung und Erhaltung der Infrastruktur der Niederösterreichischen Schmalspurbahnen im derzeitigen Standard [= 2003; Anm.].“ (Falls sich diese Passage wortwörtlich so in diesem Vertrag wiederfindet, frage ich ganz blöd: Was meint „Standard“? Etwa den tatsächlichen Infrastruktur-Status von YB und MzB Ende 2003? Oder jene [Soll-]Standards bzw. Normen, denen ein [Schmalspur-]Bahnbetrieb damals hätte genügen müssen? Zwischen diesen beiden Lesarten klaffte und klafft ja bekanntlich eine Lücke, die erheblich größer ist als so manch Spurerweiterung ...). Jedenfalls ist – und wer wollte das bezweifeln? – der Status der Infrastruktur beider Bahnen heute ein noch viel dürftigerer als noch vor fünf Jahren. Einmal mehr meine Fragen: Sind die ÖBB diesbezüglich säumig oder vertragsbrüchig? Falls ja, ist ein solcher Vertragsbruch rechtswirksam einklagbar? Falls ja, warum wird das nicht getan?
Allein eingedenk der österreichischen „(Real-)Verfassung“ finde ich diese sogenannten Infrastruktur- und Verkehrsdiensteverträge (deren Wortlaut ich nicht im Detail kenne) halbwegs problematisch: Bund/Ministerium/ÖBB sind Organe/Körperschaften/Unternehmen, die von ihrem Selbstverständnis zentralistisch „dirigieren“; ein Bundesland (so „zentralistisch“ es auch nach innen strukturiert sein mag) haut halt in Anbetracht der Drüberfahr-Mentalität der „Zentralisten“ gern auf die „Föderalismus-Pauke“. Und dann, plötzlich, ist alles auf den Kopf gestellt: Die ÖBB-Zentralisten bieten den Ländern nur zu gern (Teil-)Verantwortung und (Teil-)Lasten der regionalen Bahnen oder die Bahnen gleich komplett „gratis“ bzw. inklusive „Mitgift“ an – und die Länderföderalisten lehnen dankend ab (Ausnahme: Pinzgau), weil sie befürchten, dabei eventuell in die finanzielle Schei... zu greifen. „Raunz nicht – kauf (um einen Euro die NÖ-Schmalspurbahnen)!“, riefe man da gern Onkel Erwin zu ...
Ich nehme einmal an, jener lächerliche Kindesweglegungsschwank, der uns da in Sachen Schmalspurbahnen seit Jahren von Land/NÖVOG/Regionalpolitik einerseits und Bund/Ministerium/ÖBB andererseits geboten wird, ist KEIN bloßer „inszenatorischer Kunstgriff“ zu dem Zwecke, uns dumme Schäflein davon abzulenken, dass die handelnden Figuren ohnehin längst alles miteinander ausgepackelt haben (sprich: die Einstellung wenn schon nicht für morgen, dann halt für übermorgen beschlossene Sache ist). Jedoch eine („unbewusst gefahrene“?) Strategie will ich den beteiligten handelnden bzw. „nicht handelnden“ Stellen schon unterstellen dürfen: Das Nichthandeln, das Hin- und Her- bzw. Abschieben von Verantwortung, das oft (partei-)politisch motivierte und dabei meist nur beschränkt qualifizierte Zwischenrufen und Antichambrieren wird – und da braucht man kein Hellseher zu sein – im Fall des Falles (= Einstellung) zumindest einen Zweck ganz sicher erfüllen; nämlich den, dass dann niemand der „(Nicht-)Verantwortlichen“ vor (bzw. AUF) die Öffentlichkeit hintreten muss, um einzubekennen: „Tut uns leid – WIR waren’s, die die Sache vergeigt haben!“ In das unendliche Spiel „Was war zuerst: Henne oder Ei?“ wird die Bevölkerung bzw. werden die Bahn-(Nicht-)Benutzer nun „miteinbezogen“: „Wir haben’s ja unendlich lange versucht, euch ein schmuckes Bähnlein anzubieten. Aber ihr wolltet ja nicht damit fahren. Kann man es uns [Land/NÖVOG, Bund/ÖBB] da verdenken, wenn wir kein Geld mehr – übrigens euer gutes Steuergeld! – lockermachen wollten?“
Abgesehen von Petitionen, Protestbekundungen (und sei es mit ein paar ungelenken Zeilen wie hier), (qualifizierten) Anregungen/Ideen und natürlich der aktiven Benutzung der Bahn müssen die, denen an einem infrastrukturell sinnvollen und politisch/volkswirtschaftlich vertretbaren Weiterbestand der YB gelegen ist, sich auch auf ein eventuelles Ende der Bahn einstellen. Und für eine diesbezügliche „Trauerarbeit“ (man möge mir diesen Begriffsmissbrauch nachsehen) tät’s, so bild’ ich mir ein, ganz gut, die „Gesichter“ und „Namen“ derjenigen benennen zu können, die der YB ihr Lebenslichtlein über die Jahre kleingehalten und dieses schließlich ausgeblasen haben. Den Autofahrern in St. Georgen am Reith an der B-31-Ybbstalbundesstraße mit einem Schild mit der Aufschrift „Bahnmörder!“ zuzuwinken trifft ja auch nicht wirklich den Punkt ...
Aber wer weiß – vielleicht sollte unsereiner, der in Anbetracht von Klimadebatte, aktuellen wirtschaftlichen Einbrüchen bei Airlines, Luftfahrt-, Automobilindustrie (Straßen-)Bauwirtschaft bei gleichzeitig ungebrochen steigendem Mobilitätsbedürfnis zwar nicht unbedingt mit einem Aufschwung der Schuh-, Senften- und Fahrradindustrie rechnet
, aber immerhin mittelfristig eine kleine Renaissance der Regionalbahnen sich auszumalen vermag, den Arzt wechseln ...
Gruß, k.